Reflektionen
Du bist eine Frau, deren Là ¤cheln
die Sonne aufgehen là ¤sst,
und deren Augen wie ein Sternenhimmel
in tiefer Nacht funkeln und strahlen
Dante Aleghieri an seine Beatrice
Er seufzte tief, legte das Bà ¼chlein , mit dem vom hà ¤ufigen Gebrauch verschlissenem Einband zur Seite. Komisch, dachte er, das hatte ein Mann vor mehr als siebenhundert Jahren geschrieben, und es drà ¼ckte genau die Gefà ¼hle aus, die ihn momentan à ¼bermannten. „Vita Nuove" las er in fein gestochenen Buchstaben auf dem Deckel des Buches. Seit er denken konnte, hatte dieses Bà ¤ndchen, aus feinem grà ¼n gehaltenem Ziegenleder gebunden und mit Goldornamenten auf dem Rà ¼cken verziert, sein Leben begleitet. Seit er denken konnte, nein natà ¼rlich nicht ganz solange. Jetzt erinnerte er sich, sein Groà Ÿvater Valerio hatte es ihm kurz vor dem Abitur geschenkt. Valerio, er sah den alten Mann genau vor sich. Schon damals ging er gebeugt, immer im dunklen Anzug, den Kopf mit einem etwas zerschlissenen Strohhut bedeckt, die Straà Ÿe, die vom Hof zur Trattoria fà ¼hrte hinab. Er là ¤chelte, nahm das Bà ¤ndchen noch einmal in die Hand, schlug die Verse auf, die ihm so viel bedeuteten, las sie im Dà ¤mmerlicht, das durch die staubigen Vorhà ¤nge gefiltert wurde und dachte an sie.
„Eva, ciara, wo immer du jetzt sein magst, ich hà ¤tte mit dir gehen sollen. Ich konnte nie wieder eine Frau auf solch verzehrende Art lieben wie dich. Warum weià Ÿ ein Mann nicht, wohin er gehà ¶rt. Sicher die Karriere war mir damals wichtig, und Eva, du hà ¤ttest vieles nicht toleriert, manche meiner Gewohnheiten nicht akzeptiert. Ich habe meinen Weg gemacht, bin oben angelangt. War es das, was ich vom Leben wollte? Nun ich beginne zu begreifen, das Macht und Reichtum nicht alles ist. Das ohne die Liebe zu dir, die ich tief in mir vergraben hatte, die immer unter dem Deckel meines kontrollierenden Verstandes verborgen war, mein Leben keinen wirklichen Inhalt hatte. Man sprach mit Ehrerbietung von mir, manchmal fà ¼rchteten die Menschen mich auch, viele hatten Respekt vor meinen Worten, und sicher habe ich auch vielen Leid zugefà ¼gt. Ich habe die Macht genossen, die auf eine Geste von mir hin ausgeà ¼bt wurde. Und jetzt war ich alt, wie mein Groà Ÿvater vor so vielen Jahren, stand am Ende meines Daseins. Mein Weg war gegangen, viele Spuren hatte ich hinterlassen, Dinge, die mir manchmal bà ¶se Trà ¤ume bereiteten. Einmal noch werde ich diese Zeilen lesen, Bella Gioia, ein einziges Mal noch.
Du bist eine Frau, deren Là ¤cheln
die Sonne aufgehen là ¤sst,
und deren Augen wie ein Sternenhimmel
in tiefer Nacht funkeln und strahlen
Das Telefon klingelte, Leone war am Hà ¶rer, eine letzte Warnung, ein vergeblicher Aufruf zur Flucht. Zu spà ¤t, ich hatte die Schatten schon bemerkt. Ich wollte meinem Schicksal nicht entgehen, zu oft hatte ich das schon getan. Ich seufzte, legte die Verse auf die Platte meines schweren eichenen Schreibtischs, schaute auf meine silberne ziselierte Taschenuhr und blickte auf die Tà ¼r. Jeden Augenblick mussten sie kommen. Sie machten sich nicht die Mà ¼he unbemerkt zu bleiben. Ich hà ¶rte das leise quietschen der Sohlen auf dem Marmorboden. Jetzt waren sie an der Tà ¼r zu meinem Bà ¼ro angelangt. Splitternd flog die Tà ¼r aus den Angeln. Ich sah auf, hatte keine Angst mehr vor dem unvermeidlichen Ende. Ich hatte mit dem Leben abgeschlossen, war den falschen Weg gegangen. Eva, mi tesora, verzeih mir.
Gestern Nachmittag starb Don Sergio, einer der brutalsten Bosse der Mafia, unter dem Kugelhagel zweier Killer.
ENDE